“Eine der nachhaltigsten Arten des Lernens ist das Lernen durch Erfahrung.”
In vielen Ländern wie in Rumänien (RO) oder Portugal (PT) wird die berufliche Aus- und Weiterbildung (VET) als zweite Wahl betrachtet; als ein Bildungsweg für diejenigen, die es nicht geschafft haben, einen Zugang zur höheren, universitären, Bildung (HE) zu erreichen. Einer der Hauptgründe für dieses eher schlechte Image der Berufsbildung ist, dass sie oft als „Sackgasse“ betrachtet werden muss; wenn man einmal einen „Blue Collar“-Job angefangen hat, gibt es keine oder nur wenige Optionen für Karrieremöglichkeiten durch berufliche Weiterbildung (CVET). Daher sind Tätigkeiten in anspruchsvolleren Handlungsfeldern der Unternehmen wie die Arbeit in den Abteilungen „Qualitätssicherung (QS)“, dem „Design“ oder der „Produktionsplanung“ Kollegen mit einem Bildungshintergrund aus dem Hochschulbereich vorbehalten.
Aber selbst in Ländern mit etablierten Weiterbildungsprogrammen wie Deutschland (DE), wo die Qualifikationen eines Industrie- oder Handwerksmeisters oder Technikers landesweit anerkannt sind und ein sehr gutes Image haben, ist der akademische Drift offensichtlich. Ein beunruhigender Indikator für unsere Branche (industrielle Schuhproduktion) ist: In den letzten zwei Jahren konnten die deutschlandweit einzigen Industriemeisterkurse für diesen Beruf (IHK Pfalz) nicht durchgeführt werden – da sich nicht genügend Teilnehmer (bundesweit nur sechs benötigt!) beworben haben.
Die Stärkung der beruflichen Weiterbildung ist somit ein entscheidendes Element zur Steigerung der Attraktivität der Berufsbildung und zur Nachwuchskräftegewinnung. Zielgruppe sind Kolleginnen und Kollegen, die sich bereits über die berufliche Erstausbildung im Bereich der industriellen Schuhfertigung qualifiziert haben.
Die Partner des Projekts „Entwicklung innovativer und attraktiver Weiterbildungsprogramme in der industriellen Schuhproduktion“ (DIA-CVET) haben 10 Handlungsfelder der industriellen Schuhproduktion wie „betriebliche Organisation“ oder „Materialien der Schuhfertigung“ ausgewählt, in denen autonome Arbeit über die Kompetenzen von Facharbeitern hinausgeht (bezugnehmend auf Facharbeit auf dem Niveau 3 oder 4 des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR)). Unser Ziel ist es, für jedes dieser Handlungsfelder umfassende Kurse auf europäischer Ebene zu entwickeln, zu pilotieren und zu implementieren; verfügbar in Englisch (EN) sowie in DE, RO und PT. Es ist nicht unser Ziel, ein einheitliches europäisches Weiterbildungsprofil (etwa einen „EU-Industriemeister“) zu entwickeln, da wir das Subsidiaritätsprinzip im Bildungsbereich respektieren und uns der unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse bezüglich der Qualifikationen in unseren drei Ländern bewusst sind.
Die Pilotierung unserer Kurse ist als „Machbarkeitsstudie“ vorgesehen, unmittelbare Teilnehmer werden 10 Facharbeiter aus der Schuhindustrie sein. Durch Begleitmaßnahmen wie einen „Beirat“ (AB), Workshops und anderes zielen wir darauf ab, Delegierte aller relevanten Interessengruppen (Unternehmen, Gewerkschaften, Kammern, zuständige Stellen, Ausbildungszentren, Netzwerke) aus dem Sektor in unseren drei Ländern zu erreichen und einzubeziehen.
Das Projekt hat jedoch einen weiteren Horizont; es zielt auch auf Transparenz bezüglich der Inhalte der Weiterbildungsangebote innerhalb des Schuhsektors für alle Beteiligten, insbesondere Sozialpartner, Unternehmen und Behörden. Die Anerkennung von Lernergebnissen (LO) eines anderen Lernortes oder das Vertrauen in Berufsqualifikationen aus einem anderen Land sind leider noch keine Selbstverständlichkeit. Die Projektpartner hat im Vorgängerprojekt ICSAS (vgl. http://icsas-project.eu/wpcontent/uploads/2020/04/06_SQF-Table_EN.pdf) erfolgreich einen Sektorqualifikationsrahmen für die industrielle Schuhfertigung auf den Niveaus 2-4 entwickelt. Folglich ist die Entwicklung eines sektoralen Qualifikationsrahmens für die Ebenen 5-7 ein weiteres wichtiges Ziel des vorgeschlagenen Projekts DIA-CVET. Bestehende oder entwickelte nationale Weiterbildungsqualifikationen in DE, RO und PT werden in diesem Rahmen referenziert und er wird für die zukünftige Einordnung von Profile anderer Länder diesen auch nach der Projektlaufzeit zur Verfügung stehen.
Im Hinblick auf die langfristige Wirkung bzw. Nachhaltigkeit zielen wir zusätzlich darauf ab, duale Weiterbildungslehrgänge für Industrielle Schuhfertiger im rumänischen und portugiesischen Berufsbildungssystem zu implementieren (wie es bei der dualen Berufsausbildung während ICSAS erfolgreich geschehen ist) – und die Wiederbelebung des Industriemeisterlehrgangs in Deutschland zu unterstützen.